Veröffentlicht von Prof. Dr. jur. Burkhard Oexmann am 27.03.2013

Zu den Sorgfaltspflichten eines Hufschmiedes

von Dr. jur. Burkhard Oexmann, Rechtsanwalt in Lippetal

Immer wieder kommt es zu teilweise schwerwiegenden Unfällen, wenn der Hufschmied turnusmäßig Pferde ausschneidet und/oder beschlägt. Um diese mit „Stress“ verbundene Ausnahmesituation vor allem bei jüngeren Pferden abzufedern, haben viele Reitbetriebe besondere Räumlichkeiten und/oder abgesonderte Flächen vorgesehen, in/auf denen der Hufschmied seine Arbeit an den Pferden verrichten kann. Im nachstehenden Fall kam es noch in der Vorbereitungsphase des Ausschneidens/Beschlagens zu einem schwerwiegenden Unfall, der zur Unbrauchbarkeit des Pferdes führte. In meiner Klageschrift vom 08.02.2013 habe ich den Anspruch des Pferdeeigentümers gegen den Hufschmied wie folgt begründet:

1. Der durch grobe Fahrlässigkeit des Beklagten, also eine „Eselei“, entstandene Schadensfall betrifft die am 31.03.2005 geborene dunkelbraune Oldenburger Stute mit dem Lebenszeichen DE 433. Ich überreiche

/ anliegend in Kopie die Eigentumsurkunde vom 10.05.2005 sowie einen Auszug aus dem Equidenpass vom 10.05.2005.

2. Diese Stute stammt auf der Vaterseite ab von dem Hengst „Sir D.“, mit einem Zuchtwert Dressur von 160 bei einer Heritabilität (Sicherheit) von 0,98 (maximal 100), seit Jahren einem Starvererber von Dressurpferden. Ich überreiche

/ anliegend in Kopie das Deckblatt sowie die Seiten 598/599 aus: Jahrbuch Hengste 2013, herausgegeben vom Hannoveraner Pferdezuchtverband.

3. Welchen Wert der Hengst „Sir D.“ auf dem Markt hat, zeigt seine Decktaxe von 2.000,00 €, etwa den dreifachen Betrag einer normalen Decktaxe im Warmblutpferdezuchtbereich. Ich überreiche

/ anliegend in Kopie Auszug aus der Hengstkollektion 2012 des Herrn Paul Schockemöhle.

4. Das Pferd gelangte in den Stall des internationalen Springreiters R. T Dort wurde der Kläger auf dieses Pferd aufmerksam. Um die gesundheitlichen Risiken einzugrenzen, wurde das Pferd am 19.02.2009 in der Tierklinik T. einer klinischen und röntgenologischen Kaufuntersuchung unterzogen. Ich überreiche

/ anliegend in Kopie das tierärztliche Untersuchungsprotokoll vom 19.02.2009.

5. Anschließend erwarb der Kläger das Pferd von Herrn T. zum Preis von 18.000,00 €. Ich überreiche

/ anliegend in Kopie den (datumslosen) Pferdekaufvertrag T./R.

6. In der Folgezeit war das Pferd auf Reitturnieren erfolgreich, und zwar mit der gewünschten Leistungskonstanz. Ich überreiche

/ anliegend in Kopie den das streitgegenständlichen Pferd betreffenden Auszug aus dem „Jahrbuch Sport und Zucht 2011“ der Deutschen Reiterlichen Vereinigung.

7. Der Kläger hatte sein in dem mustergültigen Stall P. T. in M. untergebracht. Die Stallgasse besteht aus 30 Boxen. Vorgelagert zu einem Ausgang ist mit den Maßen 6,90 m x 5,20 m ein großer Raum, an dessen Wänden sich insgesamt drei Anbindeketten für insgesamt drei Anbindeplätze befinden. Ich überreiche anliegend:

unmaßstäbliche Skizze der Stallgasse

zwei Farbfotos, die den vorbeschriebenen Raum zum Anbinden der drei Pferde aus den beiden gegensätzlichen Perspektiven zeigt drei Farbfotos, die die Stallgasse von unterschiedlichen Seiten zeigen.

Die Einrichtung des Mehrzweckplatzes insbesondere zum Ausschneiden und Beschlagen von Pferden durch den Hufschmied ist, ich wiederhole mich, geradezu mustergültig. Ich überreiche

/ anliegend in Kopie das Deckblatt sowie die Seiten 108/109 aus: Orientierungshilfen Reitanlagen- und Stallbau, herausgegeben von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung.

Dort heißt es unter dem Stichwort „Schmiede“: „In jeder Pferdehaltung wird eine Arbeitsstätte für den Hufschmied benötigt, wo er gute Arbeitsbedingungen vorfindet. In größeren Anlagen wird der Beschlagraum der Reitanlage am besten an einer Stelle untergebracht, wo die Pferde möglichst wenig abgelenkt werden, da jede Ablenkung oder Beunruhigung der Pferde die Arbeit des Schmieds verzögert. Es müssen immer mindestens zwei Pferde ausreichend Platz finden, da ein Pferd allein oft unruhig steht.“

8. Der Erste Deutsche Hufbeschlagsschmiede Verband (EDHV) empfiehlt seinen Mitgliedern entsprechend dieser Hinweise der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (den Zentralverband aller deutschen Turnierreiter mit Sitz in Warendorf), die notwendigen Arbeiten auf einem separaten Beschlagplatz vorzunehmen (Ausschneiden der Hufe und Beschlagen derselben). Ich überreiche

/ anliegend in Kopie zum Thema „Beschlagplatz“ den Leitfaden des EDHV.

9. Im Jahre 2009 fand auf Haus Düsse (Kreis Soest) eine Baulehrschau zum Thema Pferdehaltung statt. Der referierende Dipl.-Ing. Holger Janßen stellte seine baulichen Konzepte für die Pferdehaltung vor und verlangte, immerhin für die Landwirtschaftskammer Niedersachsen handelnd, die Einrichtung eines separaten Beschlagplatzes. Ich überreiche dazu

/ anliegend in Kopie zwei Seiten aus dem Power-Point-Präsentation des Dipl.-Ing. Janßen.

10. Obwohl der Beklagten, von Beruf Hufschmied, ideale Verhältnisse vorfand, beging er eine „grobe Eselei“. Er ließ die ihm zum Beschlag in Auftrag gegebene Stute des Klägers nicht in ihrer Box stehen, sondern stellte sie „schon einmal“ auf die Stallgasse vor die eigene Box, so dass die eingetretene Katastrophe geradezu absehbar war. Ich überreiche

/ anliegend in Kopie das vom Haftpflichtversicherer des Beklagten eingeholte Gutachten des Privatsachverständigen H. vom 17.07.2012

und zitiere aus der Seite 14 die „Auskünfte des VN“ (also des Beklagten) wie folgt: „Herr M. H. erläuterte fernmündlich am 26. Juni 2012 den Ablauf des Geschehens am 05. Januar 2011. In Ausübung des von Herrn R. erteilten Hufbeschlagauftrages hatte Herr H. Donna vor ihrer Box am Halfter und Strick am festen Gitteraufsatz angebunden. Der VN, wie auch sein Helfer, der Zeuge M. S., befanden sich in etwa 15 m Entfernung, als die Stute sich plötzlich ins Halfter hing, am Strick zog, dabei ausrutschte und auf den Betonboden der Stallgasse fiel. Dabei hat sie sich Hautverletzungen bis zum Sprunggelenk bzw. bis zum Karpalgelenk zugezogen.“ Es war Pflicht des Beklagten im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht, die zum Beschlag vorgesehenen Pferde aus der Box zu ziehen und sofort auf dem Beschlagplatz anzubinden. Dort waren ja nicht umsonst drei Anbindeplätze vorhanden.

11. Der Schadenshergang, durch grobe Fahrlässigkeit des Beklagten im Sinne der §§ 280 Abs. 1 S. 1, 276 Abs. 2 BGB verursacht, ist zwischen den Parteien (einschließlich des hinter dem Beklagten stehenden Berufshaftpflichtversicherers) unstreitig, bedauerlicherweise auch die gravierenden gesundheitlichen Folgen. Dazu überreiche ich anliegend jeweils in Kopie:

tierärztliche Bescheinigung Dr. R. vom 18.01.2011

tierärztliche Bescheinigung der Tierklinik T. vom 12.12.2011

Schreiben des L. vom 20.12.2011

Krankheitsbericht der Tierklinik T. vom 18.01.2012

Schreiben der Tierklinik T. vom 16.05.2012.

Dass die in den tierärztlichen Bescheinigungen beschriebenen Verletzungen Folge des Sturzes der Stute auf der Stallgasse war, stelle ich vorsorglich unter Beweis durch

Gutachten eines tiermedizinischen Sachverständigen mit Schwerpunkt Pferdekrankheiten,

wobei ich ferner behaupte, dass das Pferd durch den Unfall bedingt nur noch Schlachtwert (etwa 300,00 €) hat.

12. Im Rahmen der schadensausfüllenden Kausalität nach § 287 ZPO überreiche ich anliegend mit jeweiliger Bezugnahme

/ in Kopie mein an den L. gerichtetes Schreiben vom 22.10.2012 nebst sämtlicher Schadensbelege.

13. Der Haftpflichtversicherer des Beklagten hat die weitergehende Schadensersatzverpflichtung zurückgewiesen. Der Beklagte habe das Pferd auf der Stallgasse anbinden dürfen. Auch hätten bei dem Pferd bereits vor Erwerb „Mängel“ vorgelegen.

14. Ich kann dazu nur erwidern: Aus der oben überreichten Literatur folgt, dass Pferde gerade nicht auf der Stallgasse angebunden werden sollen, sondern an separater Stelle, die hier eigens eingerichtet war. Man darf nicht vergessen: Bei dem Pferd des Klägers handelt es sich um eine Stute. Diese vor der eigenen Box anzubinden bedeutete, dass sie im Einflussbereich von fünf weiteren Pferden im Umkreis von etwa 5 m war. Stuten gelten als „futterneidisch“. Einmal aufgebaute Aggressionen bleiben erhalten und können bei der leisesten Übersprungshandlung (etwa heftiges Kopfschlagen anderer Pferde, Treten mit den Extremitäten gegen die Boxenwände) zum Scheuen führen. Es war auch vom Arbeitsablauf her nicht sinnvoll, die Stute des Klägers bereits auf der Stallgasse anzubinden. Es hätte völlig ausgereicht, sie in der Box zu lassen. So musste, arbeitstechnisch geradezu kontraproduktiv, der Beklagte und/oder sein Helfer zweimal zum Pferd des Klägers gehen, um es vorzubereiten. Einmal ging er zur Box, um das Pferd außerhalb der Box anzubinden. Dann hat er andere Pferde auf dem Beschlagplatz bearbeitet. Anschließend musste er erneut zum auf der Boxengasse angebundenen Pferd des Klägers gehen, um das Pferd nun zum Beschlagplatz zu holen. Man denke nur an die zahlreichen Risiken angesichts der schmalen Stallgasse, die etwa durch vorbeigehende Personen, frei laufende Hunde usw. hätten manifest werden können. Zum Thema „Ausziehungen an einzelnen Dornfortsätzen“ kann ich mit Fug und Recht auf die Grundsatzentscheidung des für den Pferdekauf zuständigen 8. Zivilsenats des BGH vom 07.02.2007 (VIII ZR 266/06) zur Kissing-Spines-Problematik verweisen. Vorliegend handelt es sich allenfalls um die Röntgenklasse III, den Akzeptanzzustand. Außerdem hat der BGH in seiner Entscheidung a.a.O. postuliert, nur dann sei ein Engstand im BWS- oder LWS-Bereich eines Pferdes von Mangelrelevanz, wenn mit dem röntgenologischen Befund eine klinische Begleitsymptomatik im Sinne von back pain einhergehe. Angesichts der oben beschriebenen Erfolge des Pferdes auf Turnieren wird der Haftpflichtversicherer des Beklagten kaum behaupten wollen, das Pferd habe derartige Rückenschmerzen gehabt. Denn hätte es regelmäßig seine Reiter aus dem Sattel gebuckelt.

Beweis: Gutachten eines tiermedizinischen Sachverständigen.

(Stand: 25.02.2013)