Veröffentlicht von Prof. Dr. jur. Burkhard Oexmann am 12.04.2010

Dritthaftung des Tierarztes - Pferdekaufuntersuchung

Dritthaftung des Tierarztes aus fehlerhafter Pferdekaufuntersuchung

- Kritische Analyse der Rechtsprechung und Literatur –

Rechtsanwalt Dr. jur. Burkhard Oexmann, Lippetal

Einleitung

Das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz (SMG) hat zum 01.01.2002 mit § 311 Abs. 3 S. 2 BGB die rechtsgeschäftliche Sachwalterhaftung in den Kodex der Anspruchsgrundlagen des Zivilrechts implementiert. Nunmehr soll ein Schuldverhältnis (mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB) insbesondere (Fallbeispiel) auch entstehen, „wenn der Dritte im besonderen Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluß erheblich beeinflußt.“

Grundlagen

Medicus1 nennt die Haftungsvoraussetzungen der Sachwalterhaftung. Der Dritte müsse Vertrauen für sich selbst (und nicht für die künftige Vertragspartei) in Anspruch genommen haben. Nach der BGH-Rechtsprechung2 müsse der Dritte dazu an den Vertragsverhandlungen selbst beteiligt oder in deren Rahmen mit einem Anspruch auf Vertrauen hervorgetreten sein, wobei sich dieses Vertrauen gerade auf die besondere Qualifikation des Dritten stütze. In besonderem Maße müsse dieses Vertrauen in Anspruch genommen werden; nicht genüge das „normale Verhand-lungsvertrauen“. Es müsse also eine zusätzliche, von ihm persönlich ausgeübte Gewähr für die Seriosität und Erfüllung des Geschäfts geboten worden sein. Medi-cus a.a.O. nennt diese Fälle „Expertenhaftung“. Weitere solcher Fälle fänden sich traditionell beim Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte. Dort werde gefragt, welche Dritte sich noch im Schutzbereich des Vertrags mit dem Experten befänden. Der sachliche Unterschied bestehe darin, daß beim Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte der Dritte räumlich und oft auch zeitlich weit von den Vertragsverhandlungen entfernt sei. Im übrigen müßten durch das Vertrauen die Vertragsverhandlungen oder der Vertragsschluß erheblich beeinflußt worden sein. Das gehe über das allgemeine Erfordernis der Kausalität hinaus, es genüge nicht, „dass das Eingreifen des Dritten sozusagen der letzte Tropfen war, der das Fass zum Überlaufen ge-

Prütting/Wegen/Weinreich, BGB Kommentar, 4. Auflage, Luchterhand 2009, § 311 Rn. 64 ff. BGHZ 159, 94-104 = WM 2004, 1404-1407 = NJW 2004, 2523-2552

bracht hat.“ Grüneberg3 postuliert für die Sachwalterhaftung nach § 311 Abs. 3 S. 2 BGB unter Hinweis auf die angeblich ständige Rechtsprechung4, daß der Sachwalter am Vertragsschluß ein unmittelbares eigenes wirtschaftliches Interesse habe oder er ein besonderes Vertrauen in Anspruch genommen und hierdurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluß erheblich beeinflußt habe. Soweit das kasuistische Beispiel des § 311 Abs. 3 S. 2 BGB nur einen Tatbestand, der eine Dritthaftung begründe, nenne, sei dies unschädlich, weil diese (neue) Vorschrift sowohl nach ihrer Entstehungsgeschichte (historische Auslegung) als auch nach ihrem Wortlaut (philologische Interpretation) keine abschließende Regelung bilde. In ausdrücklicher Abkehr der Materialien zu § 311 Abs. 3 S. 2 BGB5 hafte der Gutachter oder Experte Dritten für ein von ihm erstattetes unrichtiges Gutachten nicht als Sachwalter, sondern nur nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter.

Funktion der tierärztlichen Pferdekaufuntersuchung

Als „Mutter aller Entscheidungen zur Pferdekaufuntersuchung“ gilt noch immer das Urteil des BGH vom 05.05.19836. Das tierärztliche Gutachten über den Gesundheitszustand eines Tieres habe auch ohne Verknüpfung mit einem nachfolgenden Kaufvertrag selbständige wirtschaftliche Bedeutung. Zwar könne ein tierärztlicher Untersuchungsbefund für den Abschluß eines bestimmten Kaufvertrages maßgebend sein. Auch bei einer solchen Verknüpfung mit einem Kaufvertrag erschöpfe sich die wirtschaftliche Bedeutung des Gutachtens aber nicht in der Verwendung bei den Vertragsverhandlungen. Der Untersuchungsbefund könne vielmehr darüber hinaus für andere Sachverhalte Bedeutung erlangen, in denen der Gesundheitszustand des Tieres eine Rolle spiele. So sei denkbar, daß auf das Gutachten nicht nur bei Abschluß des vom Auftraggeber beabsichtigten Kaufvertrages, sondern bei einem Weiterverkauf des Tieres durch den Käufer zurückgegriffen werde. Auch sei möglich, daß der tierärztliche Untersuchungsbefund dem Abschluß eines Mietvertrages oder eines Versicherungsvertrages zugrunde gelegt werde, für dessen Zustandekommen und Ausgestaltung der Gesundheitszustand des Tieres maßgebend sei. Schließlich könne das Gutachten z.B. bei einer zunächst nicht beabsichtigten Veräußerung eines landwirtschaftlichen Anwesens oder eines Gewerbebetriebes als Nachweis für den Wert des mitveräußerten Tieres dienen. Ein tierärztlicher Unter-

Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 69. Auflage, Verlag C.H. Beck, München 2010, § 311 Rn. 60 ff. BGH NJW 1983, 2696; BGH NJW 1990, 1907; BGH NJW-RR 2005, 1137 Bundestags-Drucksache 14/6040 Seite 163 VII ZR 174/81; NJW 1983, 2078; vgl. auch Fn. 30

suchungsbefund, auch wenn er aufgrund einer „Ankaufsuntersuchung“ erstellt werde, habe also aufgrund seiner vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten durchaus selbständige wirtschaftliche Bedeutung7. Die Funktion des tierärztlichen Kaufuntersuchungsberichts zeigt sich signifikant im Röntgenleitfaden 20078. Dessen Mitverfasser Hertsch betont im Vorwort, die röntgenologische Untersuchung von Pferden zum Zweck des Kaufs sei weltweit eine übliche und etablierte Methode. Die Röntgenaufnahmen als bleibende Dokumente würden in der Regel von mehreren Fachkollegen beurteilt und interpretiert. Es sei nicht selten, daß dabei unterschiedliche Meinungen geäußert würden. Die Differenz der Meinungen bilde den Nährboden für gerichtlich ausgetragene Streitigkeiten. Der Röntgenleitfaden 2007, hervorgegangen aus dem Ergebnisprotokoll der Ersten Röntgenkommission aus dem Jahr 1993 sowie dem Röntgenleitfaden der Zweiten Röntgenkommission (2002), gebe Interpretationshilfen. Diese würden allen Beteiligten helfen und die untersuchenden Tierärzte vor unangebrachten Erwartungen und Forderungen schützen, und zwar durch Festlegung einer neutralen Position. Von überragender Bedeutung der erste Satz der Präambel des Röntgenleitfadens: „Der Röntgenleitfaden stellt eine Empfehlung für Tierärzte zur Beurteilung der gesundheitlichen Bedeutung röntgenologi-scher Befunde bei der Kaufuntersuchung von Pferden dar“9.

Aktuelle Rechtsprechung zur Dritthaftung nach Pferdekaufuntersuchung

Im Fall des OLG Hamm vom 26.01.200510 verteidigte sich der kaufuntersuchende Tierarzt mit dem Argument, seine Haftung aus § 280 Abs. 1 S. 1 BGB sei gegenüber der Mängelhaftung des auf Rückabwicklung des Vertrages in Anspruch genommenen Verkäufers (§ 434 Abs. 1 S. 1 BGB) nachrangig. Dem widersprach das OLG a.a.O Beide Rechtsverhältnisse stünden selbständig nebeneinander. Die Konstellation Pferdekäufer, Pferdeverkäufer und kaufuntersuchendem Tierarzt sei vergleichbar mit derjenigen, in der ein Bauherr wegen eines mangelhaft erstellten Werkes Ansprüche sowohl gegen den für den Mangel verantwortlichen Bauunternehmer als auch gegen den mit der Bauaufsicht beauftragten Architekten verfolge. Trotz unterschiedlicher vertraglicher Pflichten – also fehlender Leistungsidentität - seien in einem solchen Fall Architekt und Bauunternehmer Gesamtschuldner. Entscheidend

7 dem folgend Oexmann, Pferdekauf – Tierarzthaftung, Landwirtschaftsverlag Münster-Hiltrup 1992, Seite 88-90; ähnlich Oexmann et al., Forensische Probleme der Tierarzthaftung, wak Verlag Gescher 2007, Seite 39-45.

8 herausgegeben von der Bundestierärztekammer und von der Gesellschaft für Pferdemedizin

9 vgl. Oexmann, Die forensische Zukunft des Röntgenleitfadens, RdL 2007, 116 ff.; BGH, Urteil vom 07.02.2007 (VIII ZR 266/06; RdL 2007, 120-122 = NJW 2007, 1351-1353)

10 12 U 121/04; www.justiz.nrw.de

dafür sei, daß beide ihre vertraglichen Pflichten mangelhaft erfüllt hätten und deshalb jeder auf seine Art für die Beseitigung desselben Schadens des Vertragspartners einzustehen habe. Darauf, daß in erster Linie der Bauunternehmer selbst für die Mangelfreiheit seiner Leistung verantwortlich sei, könne sich der Architekt im Außenverhältnis zum Auftraggeber nicht berufen. Der Auftraggeber könne sich aussuchen, gegen welchen der Gesamtschuldner er vorgehe und müsse sich nicht unter Inkaufnahme der damit verbundenen Risiken (etwa zwischenzeitlicher Vermögensverfall des zuletzt in Anspruch genommenen Schuldners) darauf verweisen lassen, zunächst den Hersteller – hier also den Pferdeverkäufer – der mangelhaften Sache in Anspruch zu nehmen. Nach dem Urteil des OLG Stuttgart vom 23.08.200511 wird die Schutzwirkung zugunsten eines Pferdekäufers aus einem zwischen dem Verkäufer und einem Tierarzt geschlossenen Ankaufsuntersuchungsvertrag durch den in Auftrag gegebenen Untersuchungsumfang begrenzt. Denn eine Haftung des beklagten Tierarztes aus der Schutzwirkung des tierärztlichen Untersuchungsvertrages komme nur in dem Umfang in Betracht, in dem der Tierarzt gegenüber seinem Auftraggeber Pflichten übernommen habe. Dies ergebe sich daraus, daß der Dritte gegenüber einem Tierarzt keine weitergehenden Rechte herleiten könne als der die Untersuchung in Auftrag gebende Vertragspartner. Mit der konkurrierenden Problematik der Grundsätze der Schutzwirkung zugunsten Dritter (§ 328 BGB) und der Sachwalterhaftung aus § 311 Abs. 3 S. 2 BGB hat sich das Landgericht Verden im Urteil vom 05.10.200612 befaßt. Der Tierarzt hafte im Zusammenhang mit einer Kaufuntersuchung nicht gemäß der (neuen) Vorschrift des § 311 Abs. 3 BGB gegenüber den Kaufvertragsparteien, weil er kein Sachwalter des Käufers sei. Ein Tierarzt könne aber nach den Grundsätzen der Schutzwirkung zugunsten Dritter haften, wenn seine Untersuchung zur Verwendung gegenüber Dritten in Auftrag gegeben worden sei. Eine Schutzwirkung zugunsten Dritter komme nicht in Betracht, wenn die Untersuchung aufgrund ihrer Zweckbestimmung nur der Information eines bestimmten Auftraggebers habe dienen sollen. Grundlage der Entscheidung: Der Landwirt und spätere Pferdeverkäufer beauftragte am 31.05.2005 den streitbefangenen Tierarzt mit der Untersuchung seines Pferdes. In den Allgemeinen Vertragsbedingungen des Tierarztes heißt es, das Untersuchungsprotokoll diene lediglich der Unterrichtung des Auftraggebers, eine Abgabe des Protokolls an Dritte komme nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Tierarztes

1 U 45/05; RdL 2006, 178-179 RdL 2007, 92-93

in Betracht. Ohne dieses Urteil ausdrücklich zu erwähnen hat von Westphalen13 überzeugend nachgewiesen, daß eine solche Klausel im tierärztlichen Kaufuntersuchungsvertrag die Haftung des Tierarztes gegenüber dem Dritten, der sich auf das Kaufuntersuchungsprotokoll als Expertise verläßt, gerade nicht wirksam ausschließt. Die gleiche Kammer des Landgerichts Verden14 hat später wiederholt, die tierärztliche Ankaufsuntersuchung entfalte zugunsten eines späteren Pferdekäufers keine Drittschutzwirkung. Soweit ein Pferdekäufer verschuldensunabhängige Sachmangelhaftungsansprüche gegen den Verkäufer besitze, sei er aus dem tierärztlichen Untersuchungsvertrag nicht schutzwürdig. Damit entfiel auch der Gesichtspunkt einer Schutzwirkung des Vertrages zugunsten Dritter. Das LG Itzehoe15 hatte einen Fall zu entscheiden, in dem der Pferdekäufer eine Kaufuntersuchung in Auftrag gegeben hatte, nunmehr aber der Pferdeverkäufer gegen den Tierarzt Ansprüche geltend machte. Die allein von einem Pferdekäufer gewünschte und gegenüber einem sachverständigen Tierarzt in Auftrag gegebene Ankaufsuntersuchung entfalte, so das LG Itzehoe a.a.O, keine Schutzwirkung gegenüber dem Pferdeverkäufer, so daß dieser den Tierarzt später nicht wegen fehlerhafter Begutachtung des Pferdes in Anspruch nehmen könne. Lediglich im Fall der Kaufuntersuchung, bei welcher der Begutachtungsauftrag an den Tierarzt primär im Interesse des Verkäufers und gerade durch diesen erteilt werde, weise anerkanntermaßen die Besonderheit auf, daß dieser Werkvertrag zwischen Verkäufer und Tierarzt auch Rechtswirkungen gegenüber den potentiellen Käufern des untersuchten Tieres entfalte, welchen mit der Kaufuntersuchung eine solide Grundlage für ihre Kaufentscheidung an die Hand gegeben werden solle. Anders sei dies bei der hiervon – auch terminologisch – abzugrenzenden Ankaufsuntersuchung. In diesen Fällen, in denen die Untersuchung nicht den Verkäuferinteressen diene, trete der Käufer als Auftraggeber der Begutachtung auf und erhalte bei mangelhafter Erstellung des Gutachtens einen direkten werkvertraglichen Anspruch gegen den untersuchenden Tierarzt. Ein erkennbares Interesse des Werkvertragsgläubigers an der Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich des Gutachtenvertrages – wie es Voraussetzung eines Vertrages mit Schutzwirkung Dritter sei – sei im Fall der Ankaufsuntersuchung gerade nicht gegeben. Vielmehr gehe das Interesse des Käufers und Auftraggebers des Gutachtens allein dahin, sich ein von den Verkaufsaussagen unabhängiges Bild über den Zustand des Kaufobjektes zu verschaffen. Zu diesem Zweck bediene er

13 Friedrich Graf von Westphalen, Einige Überlegungen zu neuralgischen AGB-Klauseln in Pferdekaufverträgen, ZGS 2008, 135-143

14 Urteil vom 20.12.2007; 4 O 285/07; RdL 2008, 153-154

15 Urteil vom 18.11.2008; 3 O 314/08; www.juris.de

sich eines Dritten, nämlich eines sachverständigen Tierarztes, auf dessen verläßliche und fachkundige Bekundungen er seine Kaufentscheidung mit dem Vorteil stützen wolle, im Fall der fehlerhaften Begutachtung einen weiteren Haftungsadressaten für etwaige Schadensersatzansprüche wegen des Kaufes eines mangelhaften Pferdes zu haben. Im Fall des OLG Düsseldorf16 hatte der beklagte Tierarzt bei der von der Pferdekäuferin in Auftrag gegebenen Kaufuntersuchung eine schon damals vorhandene verheilte Fraktur übersehen, die jedoch die Nutzbarkeit als Reitpferd ausschloß. Als das Pferd lahmte, nahm die Pferdekäuferin nicht den Tierarzt wegen fehlerhafter Kaufuntersuchung in Anspruch, sondern ging gegen die Pferdeverkäuferin aus den kaufgewährleistungsrechtlichen Vorschriften der §§ 434 ff. BGB vor. Nachdem die Pferdeverkäuferin im Prozeß gegen die Pferdekäuferin unterlegen war, nahm sie den kaufuntersuchenden Tierarzt auf Schadensersatz in Anspruch, und zwar sowohl aus dem Aspekt der Dritthaftung nach § 311 Abs. 3 S. 2 BGB als auch nach den Vorschriften über den Binnenausgleich zwischen Gesamtschuldnern. Das OLG Düsseldorf a.a.O. wies die Klage im wesentlichen ab. Ein Anspruch der Klägerin nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3 BGB komme nicht in Betracht. Eine Haftung nach diesen Vorschriften setze voraus, daß der Vertreter oder Verhandlungsgehilfe unmittelbar oder mittelbar durch eine für ihn handelnde Person an den Vertragsverhandlungen teilgenommen, im besonderen persönlichen Vertrauen in Anspruch genommen und dadurch die Verhandlungen beeinflußt habe. Er müsse durch sein Auftreten eine über das normale Verhandlungsvertrauen hinausgehende persönliche Gewähr für die Seriosität und die Erfüllung des Vertrages übernommen haben. Von einer derartigen Sachwalterhaftung des beklagten Tierarztes gegenüber der Klägerin als Pferdeverkäuferin könne nicht ausgegangen werden. Die Untersuchung, mit der der Tierarzt von der Käuferseite beauftragt worden sei, habe nur dazu dienen sollen, die Käuferin über den Gesundheitszustand des Pferdes zu informieren und ihr ein von den Verkäuferaussagen unabhängiges Bild zu verschaffen. Dafür, daß der Beklagte die Vertragsverhandlungen in irgendeiner Weise beeinflußt habe, bestünden keinerlei Anhaltspunkte. Ein Anspruch aus dem Gesichtspunkt des Gesamtschuldnerausgleichs nach § 426 BGB scheide ebenfalls aus. Eine Annahme einer Gesamtschuld setze einen inneren Zusammenhang der jeweiligen Verpflichtungen der Schuldner im Sinne einer rechtlichen Zweckgemeinschaft bzw. einer Gleichstufigkeit voraus. Das sei hinsichtlich der Hauptleistungspflichten der jeweiligen Vertragsverhältnisse nicht der Fall, weil die Klägerin ein mangelfreies Tier zu liefern hatte, während der beklagte Tierarzt als gegenständlichen Erfolg lediglich

Urteil vom 28.05.2009; I-8 U 84/08

die Erstellung eines fehlerhaften Gutachtens schulde. Die Erfüllung der Verpflichtung des Beklagten habe folglich nicht zugleich die Erfüllung der Hauptpflicht der Klägerin nach sich gezogen. Allerdings knüpfe die Rechtsprechung hinsichtlich einer Zweckgemeinschaft oder Gleichstufigkeit der Verpflichtungen nicht nur an die Hauptleitungspflichten an. Eine Gesamtschuld komme nach der Rechtsprechung des BGH auch bei unterschiedlichen Hauptleistungspflichten jeweils im Bereich der Gewährleistung dann in Betracht, wenn die jeweiligen Schuldner aufgrund von Leistungsstörungen zur Beseitigung desselben Schadens verpflichtet seien, den der Gläubiger durch ihre mangelhafte Vertragserfüllung erlitten habe (Hinweis auf BGHZ 43, 227). Ob diese Konstellation mit derjenigen des Verkäufers und des Gutachters vergleichbar sei, werde in der Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt, weil der Käufer von dem Verkäufer Nacherfüllung, Rückgewähr oder Schadensersatz in Höhe des positiven Interesses verlangen könne, während der Gutachter nur Ersatz des Vertrauensschadens – negatives Interesse – schulde. Das OLG Karlsruhe sei mit Blick auf diese Erwägungen zu dem Ergebnis gelangt, daß eine Gesamtschuld nicht anzunehmen sei (Hinweis auf NJW-RR 1998, 601). Das OLG Hamm (NJW-RR 1996, 736) habe die Konstellation zwischen dem Pferdeverkäufer und dem mit der Begutachtung beauftragten Tierarzt hingegen mit derjenigen zwischen Architekt und Bauunternehmer verglichen und eine Gesamtschuld bejaht. Das OLG Düsseldorf a.a.O. hat den Meinungsstreit zum Gesamtschuldverhältnis zwischen Pferdeverkäufer und kaufuntersuchenden Tierarzt dahinstehen lassen, weil die Verteilung im Binnenverhältnis zu einer alleinigen Einstandspflicht der Pferdeverkäuferin führe. Denn die Aufwendungen der Pferdekäuferin seien deswegen entstanden, weil die Verkäuferin ein mangelhaftes Pferd geliefert und darüber hinaus dem Verlangen der Käuferin, das Pferd zurückzunehmen, nicht nachgekommen sei. Die Klägerin suche die Ursache für das „Fehlschlagen“ des Kaufvertrages nur in dem unzutreffenden Gutachten des beklagten Tierarztes, übersehe dabei aber, daß das Rücktrittsbegehren der Käuferin in erster Linie darauf beruhe, daß sie, die Verkäuferin, die allein aus ihrem Risikobereich stammende Pflicht, ein mangelhaftes Tier zu übergeben, nicht erfüllt habe. Angesichts dieser ihr obliegenden Hauptleistungspflicht sei es allein Sache der Klägerin gewesen, sich mit der ihr gegenüber erhobenen Rüge der Käuferin, das Pferd weise Taktunreinheiten bzw. eine Lahmheit auf, zu befassen. Nur sie habe es in der Hand gehabt, aufgrund dieser Rüge freiwillig eine Rückabwicklung des Pferdekaufvertrages vorzunehmen oder abzulehnen. Insoweit bildeten Pferdeverkäufer und kaufuntersuchender Tierarzt keine Haftungseinheit, daß die Verkäuferin nach der Besichtigung und teilweiser Untersuchung des Pferdes durch ihren Hoftierarzt auf dessen Auskunft, Taktunreinheiten und eine Lahmheit seien nicht zu erkennen, vertraut und sich auf einen Rechtsstreit mit der Käuferin eingelassen habe, sei nur ihr anzurechnen. Diese Entscheidung habe allein in ihrem Risikobereich gelegen.

Beschränkung der Gutachterhaftung auf das Liquiditätsrisiko

Im Fall des OLG Karlsruhe vom 11.12.199717 machte der Liebhaber von Oldtimern den Kauf eines solchen Fahrzeugs davon abhängig, daß ein Gutachter den guten Zustand des Wagens bestätigte. Der Gutachter bejahte die Frage in einem Kurzgutachten, übersah dabei jedoch, daß der vordere Fahrzeugteil abgetrennt und durch ein gebrauchtes Vorderteil eines anderen Fahrzeugs ersetzt worden war und damit der Wert des Fahrzeugs ganz erheblich sank. Das OLG Karlsruhe a.a.O. kam zur unterschiedlichen Schadensersatzpflicht des Oldtimer-Verkäufers und des Oldti-mer-Gutachters. Bei gestufter Schadensersatzpflicht, so der Leitsatz, beschränke sich die Haftung des dem Schaden ferner stehenden Schuldners auf das Liquiditätsrisiko mit der Folge, daß er bei Abschluß eines Teilvergleichs zwischen Gläubiger und dem dem Schaden näher stehenden Schuldner nicht auf den restlichen Schaden in Anspruch genommen werden könne. Behandele man Verkäufer und Gutachter als Gesamtschuldner, entstünden rechtliche Bedenken, weil die Pflichten des Verkäufers und des Gutachters nicht im Sinne einer Zweckgemeinschaft miteinander verknüpft seien. Während der Verkäufer Schadensersatz wegen Nichterfüllung (positives Interesse) schulde, führe die Verletzung des Gutachterauftrages nur zur Kompensation des negativen Interesses. Sei der Gutachter hingegen nicht Gesamtschuldner neben dem Verkäufer, könne er dem Käufer entgegenhalten, diesem sei kein Schaden entstanden, weil er über einen werthaltigen Schadensersatzanspruch gegen den Verkäufer verfüge. Jedenfalls könne der Gutachter vom Käufer verlangen, daß ihm entsprechend § 255 BGB der Schadensersatzanspruch des Käufers gegen den Verkäufer Zug um Zug gegen Zahlung abgetreten werde. Diese Vorschrift sei Ausdruck des schadensersatzrechtlichen Bereicherungsverbotes und beruhe auf der Erwägung, daß im Innenverhältnis mehrerer Schuldner, die nicht Gesamtschuldner seien, der Leistende in vollem Umfang in Regreß nehmen könne, wenn er dem Schaden ferner stehe als der andere Schuldner18. Bei Verneinung eines Gesamtschuldverhältnisses sei nach Auffassung des OLG Karlsruhe a.a.O. von einer gestuften Schadensersatzverpflichtung des Verkäufers und des Gutachters auszugehen mit der Folge, daß der Gutachter erst zur Leistung verpflichtet sei,

11 U 16/97; NJW-RR 1998, 601-602

vgl. dazu BGHZ 60, 353, 358 = NJW 1973, 1190-1192, ferner OLG München NJW-RR 1995, 813-814

wenn feststehe, daß der Verkäufer dem Kläger keinen Ersatz leiste. Bis zu diesem Risiko beschränke sich die Haftung des Gutachters auf das Liquiditätsrisiko.

Schutzbereich des Gutachtenauftrags zur Wertermittlung einer Immobilie

Im Fall der Revisionsentscheidung vom 20.04.200419 hatte ein Sachverständiger zum Zwecke der Taxation Grundstücke bewertet und unter „Allgemeine Angaben“ im Gutachten dessen Zweck wie folgt vermerkt: „Das Wertgutachten wird für Pla-nungs- und Finanzierungszwecke benötigt.“ Während Landgericht und OLG die gegen den Gutachter gerichtete Klage abgewiesen, bejahte der BGH die Haftung des Beklagten grundsätzlich mit folgenden Leitsätzen: „1. Bei der Prüfung der Frage, ob Dritte in den Schutzbereich eines Vertrages, der die Wertermittlung eines Grundstücks zum Gegenstand habe, einbezogen seien, gehören zum wesentlichen Auslegungsstoff die in dem Gutachten enthaltenen Angaben über dessen Zweck und der sonstige Inhalt des Gutachtens, aber auch die eigenen Angaben des Gutachter zu Inhalt und Umständen der Auftragserteilung. 2. Als Dritte, die in den Schutzbereich eines Gutachtenauftrags zur Wertermittlung eines Grundstücks einbezogen seien, komme auch eine namentlich nicht bekannte Vielzahl privater Kreditgeber oder Kapitalanleger in Betracht, wenn der Gutachter nach dem Inhalt des ihm erteilten Gutachtenauftrags wußte oder damit rechnen mußte, daß der Auftraggeber das Gutachten zur Erlangung von durch ein Grundpfandrecht an dem Grundstück gesicherten, in der Höhe begrenzten Krediten verwenden werde.“ In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, daß nach ständiger Rechtsprechung des BGH20 der Kreis der von den Schutzpflichten eines Gutachtenauftrags erfaßten Personen nicht uferlos ausgeweitet werden dürfe. Der Dritte sei in den Schutzbereich des Gutachtenauftrags nur dann einbezogen, wenn sich die vertraglichen Schutzpflichten des Schuldners nach Inhalt und Zweck des Vertrages nicht nur auf den Vertragspartner beschränken, sondern – für den Schuldner erkennbar – solche Dritte einschlössen, denen der Gläubiger seinerseits Schutz und Fürsorge schulde. Tragender Gesichtspunkt für die Beschränkung des Kreises der einbezogenen Dritten sei das Anliegen, das Haftungsrisiko für den Schuldner kalkulierbar zu halten. Der Schuldner solle die Möglichkeit haben, sein Risiko bei Vertragsschluß zu kalkulieren und gegebenenfalls zu versichern. Einer solchen Beschränkung des Kreises der in den Vertrag einbezogenen Dritten bedürfe es dagegen nicht, wenn durch ihre Einbeziehung eine Ausweitung des Haftungsrisikos nicht eintrete. An einer solchen Ausweitung des

19 BGH X ZR 250/05; WuM 2004, 523-527 = BauR 2005, 122-128 = VersR 2004, 1328-1331 = NJW 2004, 3035-3039

20 NJW 1997, 1758-1760; NJW 1998, 1059-1062

Haftungsrisikos fehle es, wenn das Gutachten vereinbarungsgemäß Finanzierungszwecken diene und für den Gutachter damit erkennbar sei, daß es zu diesem Zweck auch Dritten vorgelegt werde. Kämen in diesen Fällen mehrere Darlehensgeber in Betracht, sei der Kreis der in den Schutzbereich einbezogenen Dritten nach der Rechtsprechung deshalb nicht auf einen Darlehensgeber beschränkt und es bestehe kein rechtliches Hindernis, alle Darlehensgeber in den Schutzbereich des Gutachtenauftrags einzubeziehen21. Ebenso verhalte es sich bei komplexeren Darlehens- oder Finanzierungsvorgängen, bei denen im Rahmen einer einheitlichen Finanzierungsmaßnahme ein Teil des Darlehens nur gegen weitere Sicherheiten gewährt werde.

Rechtsfolgenbetrachtung

Beim Vertrag (Schuldverhältnis) mit Schutzwirkung zugunsten Dritter stehen dem Dritten aus der zu seinen Gunsten bestehenden Schutzwirkung Schadensersatzansprüche gegen den Schuldner zu22. Während der Anspruch auf die geschuldete (Haupt)-Leistung allein dem Gläubiger zusteht, ist der Dritte in der Weise in die vertraglichen Sorgfalts- und Obhutspflichten einbezogen, daß er bei deren Verletzung vertragliche Schadensersatzansprüche geltend machen kann23. Auf der Rechtsfolgenseite führt die Sachwalterhaftung aus § 311 Abs. 3 S. 2 BGB auf Ersatz des Schadens, der im Vertrauen auf Sachkunde, Objektivität und Neutralität des Sachwalters entstanden ist (Vertrauensschaden, negatives Interesse).

Abtretung der Ersatzansprüche nach § 255 BGB

Nach Bemmann24 entfaltet der tierärztliche Kaufuntersuchungsvertrag grundsätzlich Schutzwirkung zugunsten desjenigen Dritten, der zwar nicht Auftraggeber der tierärztlichen Untersuchung sei, dem aber das Protokoll/Attest vorgelegt und der dadurch in der Verfügung über sein Vermögen beeinflußt werde. Die Einbeziehung in die Schutzwirkung des tierärztlichen Untersuchungsvertrages setze zwingend voraus, daß der Dritte ansonsten schutzlos sei, also keine irgendwie gearteten Ansprüche auf Rückabwicklung des mit einem Vertragspartner geschlossenen Schuldrechtsverhältnisses besitze. Es sei fraglich, ob dies auch der Fall sei, wenn der Drit-

21 BGH vom 21.01.1993; III ZR 15/92; VersR 1994, 737-739 = NJW-RR 1993, 944-946

22 Medicus in Prütting/Wegen/Weinreich, a.a.O., Vor §§ 328 bis 338 Rn. 11

23 Grüneberg in Palandt a.a.O., § 328 Rn. 13 unter Hinweis auf das Urteil des XI. Zivilsenats des BGH vom 24.01.2006 (XI ZR 384/03; BGHZ 166, 84-117 = DB 2006, 607-613 = VersR 2006, 1219-1230 = NJW 2006, 830-843)

24 Osteochondrose und Kaufuntersuchung aus juristischer Sicht, RdL 2006, 85-92

te die gegen seinen Vertragspartner bestehenden Ansprüche an den Tierarzt gem. § 255 Abs. 1 BGB abtrete. Konsequenterweise sei dies zu verneinen; denn der Dritte habe ursprünglich Ansprüche gegen seinen Vertragspartner besessen und hätte sich erst durch die Abtretung dieser Ansprüche mutwillig schutzbedürftig gemacht. Die Abtretung gem. § 255 BGB könne deshalb nur für den direkten Auftraggeber zu einem Tierarzthaftungsanspruch führen. Dieser könne nämlich durch die Abtretung dem Einwand des Tierarztes begegnen, daß zwar eine haftungsbegründende Kausalität der tierärztlichen Pflichtverletzung gegeben sei, es aber an einer haftungsausfüllenden Kausalität deshalb mangele, weil werthaltige Rückabwicklungsansprüche gegen die Partei des Kaufvertrages oder des Kaufvertragsrückabwicklungsschuld-verhältnisses bestünden und folglich im Verhältnis zum Tierarzt der Höhe nach kein Schaden festzustellen sei. Dem Dritten helfe die Abtretung gem. § 255 BGB also nicht. Er sei gehalten, zunächst seine Vertragspartei in Anspruch zu nehmen.

Originärer Anspruch des Dritten gegen den kaufuntersuchenden Tierarzt

In seinem Beitrag „Haftungsrechtliche Aspekte der tierärztlichen Kaufuntersuchung von Pferden“ befaßt sich Eduard Graf von Westphalen25 mit der Frage, ob und gegebenenfalls auf welcher Anspruchsgrundlage der Dritte Ansprüche gegen den Tierarzt stützen könne. Die vom Verkäufer in Auftrag gegebene Kaufuntersuchung im Sinne eines Werkvertrages (Gutachtenvertrag) entfalte nicht nur im eigentlichen Auftragsverhältnis Rechtswirkungen, sondern führe auch zu haftungsrechtlichen Ansprüchen des Käufers aus dem Gesichtspunkt der Experten-, Vertrauens- und Sachwalterhaftung wie aus dem Aspekt des Vertrages mit Schutzwirkung Dritter und schlußendlich aus dem Rechtsgedanken des § 311 Abs. 3 BGB. Dieses Haftungskonzept habe der BGH in ständiger Rechtsprechung auf Sachverständige und andere Experten entwickelt, die ihrerseits selbst kein Interesse am Abschluß des durch das Gutachten begleiteten Kaufvertrages hätten. Der BGH habe mit aller Deutlichkeit herausgearbeitet, daß Grundlage einer solchen Haftung das den Gutachtern, Sachverständigen und Experten regelmäßig entgegengebrachte Vertrauen auf ihre Unabhängigkeit und Objektivität wie auch auf ihre fachliche Ausbildung sei26. Diese Rechtsprechung habe der Gesetzgeber im Rahmen der Schuldrechtsreform zum Anlaß genommen, die Haftung in § 311 Abs. 3 BGB gesetzlich zu verankern. Damit gelte nunmehr: Ein Schuldverhältnis mit den Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB könne auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei seien.

VersR 2005, 1055-1060 26 BGH VersR 1984, 85-86 = NJW 1984, 355-356; BGH VersR 1991, 1413-1414 = NJW 1991, 3282-3283; VersR 2003, 1049-1050 = NJW 2003, 2825-2826

Ein solches Schuldverhältnis entstehe insbesondere, wenn der Dritte in besonderem Maß Vertrauen für sich in Anspruch nehme und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsabschluß erheblich beeinflusse.

Unwirksamkeit durch Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 2 BGB

In seinen „Überlegungen zu neuralgischen AGB-Klauseln in Pferdekaufverträgen“ befaßt sich Friedrich Graf von Westphalen27 mit der Haftung gegenüber Dritten. Es entspreche üblicher Vertragsgestaltungspraxis, daß Tierärzte in ihren AGB den Versuch unternehmen, die Haftung wegen einer fehlerhaften tierärztlichen Behandlung/Untersuchung allein auf die Person des Auftraggebers zu konzentrieren. Solchen Haftungsbeschränkungsversuchen über Allgemeine Geschäftsbedingungen erteilt der Autor a.a.O. eine Absage. Wer als Tierarzt im Rahmen einer Kaufuntersuchung ein fehlerhaftes Protokoll erstelle und damit seine originären Sorgfaltspflichten verletze, hafte gegenüber dem Käufer als Drittem, weil der zwischen dem Verkäufer/Auftraggeber und dem Tierarzt abgeschlossene Vertrag als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten des Käufers als Drittem (§ 328 BGB) zu interpretieren sei. Diese Haftung bestehe gegenüber jedwedem Dritten, weil die Ankaufsuntersuchung zwangsläufig die Grundlage des Kaufvertrages sei, der zwischen dem Auftraggeber/Verkäufer und dem Käufer geschlossen werde. Alle entgegenstehenden Klauseln scheiterten bereits an der Vorrangigkeit des Individualvertrages gem. § 305b BGB. Sie seien aber auch gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Denn die formularmäßige Festlegung, daß nur „namentlich aufgeführte Dritte“ in den Genuß des § 328 BGB gelangten, nicht aber „sonstige Dritte“, gefährde im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB den aus § 328 BGB abgeleiteten Schutzzweck des Vertrages zugunsten Dritter28.

Aktueller Stand der Literatur

Das Schrifttum befaßt sich bis in die jüngste Zeit umfangreich mit der Frage der Haftung eines Sachverständigen gegenüber Dritten29. Um diese Rechtsprechung auf

27 ZGS 2008, 135-143

28 so auch BGH NJW 2004, 3035-3038; vgl. auch Oexmann, Forensische Probleme der Tierarzthaftung beim Pferd, Tierärztliche Praxis 2002, 344-347

29 Brors, Vertrauen oder Vertrag – gibt es eine Haftung für Wertgutachten nach § 311 Abs. 3 BGB?, ZGS 2005, 142-149; Escher-Weingart, Zur Haftung eines Sachverständigen gegenüber Dritten, WuB IV A § 328 BGB 1.05 (2005); Hassemer, Heteronomie und Relativität in Schuldverhältnissen, Mohr Siebeck Tübingen 2007, Seite 67-70; Kersting, Informationshaftung Dritter: Vertrauen auf Verläßlichkeit, JR 2008, 312-317; Koch, § 311 Abs. 3 BGB als Grundlage einer vertrauensrechtlichen Auskunftshaftung, AcP 204 (2004), 59-80; Pinger/Behme, Der Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte als Rechtsgrundlage der Gutachterhaftung gegenüber Dritten, JuS 2008, das Problem der Haftung des kaufuntersuchenden Tierarztes gegenüber Dritten herunter zu brechen, bedarf es der spezifischen Analyse der tierärztlichen (gutachtlichen) Untersuchung beim Pferdekauf.

Zweck der Pferdekaufuntersuchung

In der „Mutter aller Entscheidungen“ zur Pferdekaufuntersuchung hat der BGH30 definiert, ein ärztliches Gutachten über den Gesundheitszustand eines Tieres habe auch ohne Verknüpfung mit einem nachfolgenden Kaufvertrag selbständige wirtschaftliche Bedeutung. Zwar könne ein tierärztlicher Untersuchungsbefund für den Abschluß eines bestimmten Kaufvertrages maßgebend sein, auch bei einer solchen Verknüpfung mit einem Kaufvertrag erschöpfe sich die wirtschaftliche Bedeutung des Gutachtens aber nicht in der Verwendung bei den Vertragsverhandlungen. Der Untersuchungsbefund könne vielmehr darüber hinaus für andere Sachverhalte Bedeutung erlangen, in denen der Gesundheitszustand des Tieres eine Rolle spiele. So sei denkbar, daß auf das Gutachten nicht nur bei Abschluß des vom Auftraggeber beabsichtigten Kaufvertrages, sondern bei einem Weiterverkauf des Tieres durch den Käufer zurückgegriffen werde. Auch sei möglich, daß der tierärztliche Untersuchungsbefund dem Abschluß eines Mietvertrages oder eines Versicherungsvertrages zugrunde gelegt werde, für dessen Zustandekommen und Ausgestaltung der Gesundheitszustand des Tieres maßgebend sei. Schließlich könne das Gutachten z.B. bei einer zunächst nicht beabsichtigten Veräußerung eines landwirtschaftlichen Anwesens oder eines Gewerbebetriebes als Nachweis für den Wert des mitveräußerten Tieres dienen. Ein tierärztlicher Untersuchungsbefund, auch wenn er aufgrund einer „Ankaufsuntersuchung“ erstellt werde, habe also aufgrund seiner vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten durchaus selbständige wirtschaftliche Bedeutung. Ein fehlerhafter Befund realisiere sich daher nicht lediglich in dem Kaufvertrag, für dessen Abschluß er erhoben worden sei. Schäden aus solchen Gutachten treten deshalb gerade, ja sogar vorwiegend als entferntere Mangelfolgeschäden auf31. Legt man diese Grundsätze des BGH a.a.O. zugrunde, rechtfertigt sich eo ipso die Sub-675-678; Schinkels, Dritthaftung von Gutachtern in Deutschland und England im Lichte der Verordnung Rom II, JZ 2008, 272-280; Sutschet, Schutzansprüche und Schutzpflichten Dritter im Lichte des § 311 III BGB, Festschrift für Horst Ehmann zum 70. Geburtstag, Duncker & Humbolt Berlin 2005, Seite 97-116; Zenner, Der Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter – Ein Institut im Lichte seiner Rechtsgrundlage, NJW 2009, 1030-1034

30 Urteil vom 05.05.1983; VII ZR 174/81; BGHZ 87, 239-246 = MDR 1983, 837-839; JZ 1983, 666-668 = WM 1983, 760-762 = NJW 1983, 2078-2080; vgl. Fn. 6

31 zustimmend Oexmann, Pferdekauf und Tierarzthaftung, Landwirtschaftsverlag GmbH Münster-Hiltrup 1992, Seite 88-91 sowie 122

sumtion unter § 311 Abs. 3 S. 2 BGB, daß nämlich der kaufuntersuchende Tierarzt „in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt“. Ist er doch derjenige, der aufgrund seiner berufsrechtlichen Grundlagen und Qualifikationen32 die Alleinstellungskompetenz für sich in Anspruch nimmt, als approbierter Tierarzt klinische und röntgenologische Pferdekaufuntersuchungen vorzunehmen, unter Umständen sogar gepaart mit Spezialuntersuchungen szintigraphischer und/oder labormedizinischer Ausrichtung. Im Bereich der röntgenologischen Kaufuntersuchung wird dies dadurch deutlich, daß nur der Tierarzt aufgrund seiner beruflichen Sonderstellung befugt ist, entsprechende Untersuchungen im Einklang mit der RöntgenVO durchzuführen.

Ökonomische Aspekte

Die Funktion der tierärztlichen Pferdekaufuntersuchung erschöpft sich aber nicht nur in der Schaffung aussagekräftiger Entscheidungsparameter für den Pferdekäufer (sofern dieser die Kaufuntersuchung in Auftrag gegeben hat), sondern bedeutet auch eine Risikominimierung zugunsten des Pferdeverkäufers im Rahmen seiner kaufrechtlichen Gewährleistung aus den §§ 434 ff. BGB. Diese Beschränkung der Kaufgewährleistung greift nicht nur bei einer (rein theoretisch denkbaren) vollständigen Gesundheit des kaufuntersuchenden Pferdes, sondern über das Vehikel des § 442 Abs. 1 S. 1 u. S. 2 BGB vor allem dann, wenn der Tierarzt erhebliche gesundheitliche Mängel (Sachmängel im Sinne des § 90a Abs. 3 S. 1 BGB) feststellt und sich der potentielle Pferdekäufer gleichwohl entschließt, den Kaufvertrag abzuschließen und durchzuführen.

Expertendritthaftung durch soziale Institutionalisierung

Teubner33 untersucht das Beziehungsgeflecht zum Gutachter/Experten/Sachwalter unter den Aspekten bilaterale Interaktionsbeziehung, ökonomische Beziehung sowie soziale Beziehung. Sein Ergebnis drückt er in einer Formel aus: „Expertendritt-haftung symbolisiert die Transformation interessen-gebundener in objektgebundene Expertise. Die Dritthaftung markiert damit eine deutlich sichtbare Schwelle zwischen zwei getrennten Institutionen: Dem Parteigutachten auf der einen Seite, wohlwissend – durchaus legitimiert – für Interessen des Auftraggebers strategisch nutzbar gemacht wird, und der unabhängigen Expertise auf der ande-

32 Bundestierärzteordnung, Berufsordnungen der Landestierärztekammern sowie Heilberufsgesetze der Bundesländer

33 Expertise als soziale Institution: Die Internalisierung Dritter in den Vertrag, in: Brüggemeier (Hrsg.), Lieber Amicorum Eike Schmidt zum 65. Geburtstag, C.F. Müller Heidelberg 2005, Seite 303-334

ren, wohlwissend unparteilich mit eingebauten Verläßlichkeitskontrollen und unabhängig von persönlicher Loyalität und Reziprozitätserwägungen einzusetzen ist. Expertenhaftung gegenüber Dritten markiert also im privaten Sektor die Grenze zwischen der dominanzökonomischen und der wissenschaftlichen Rationalität34. Teubner a.a.O. untersucht die dogmatische Konstruktion einer von ihm so formulierten projekt-bezogenen Expertise. Das deutsche Recht habe sich für eine (quasi-)vertragliche Lösung der Expertenhaftung entschieden. Hauptgrund sei, daß sich die Haftung am Leistungsinteresse des Expertise-Vertrags und nicht am Integritätsinteresse orientiere. Der Dritte habe keine Schäden aus der Realisierung eines Risikos, das die Expertise für seine Rechtsgüter mit sich bringe, sondern habe einen Schaden, weil sich die Leistungsrisiken der Transaktion eines wertvollen Guts, hier: Information, verwirklichen35. Innerhalb der vertraglichen Lösung, so Teubner in geradezu martialischer Sprachgestaltung, tobe ein erbitterter Kampf zwischen den beiden Theorielagern36. Die eine Gruppe favorisiere den Vertrag zugunsten Dritter. Sie stelle auf den Vertrag zwischen Auftraggeber und Experten ab und entnehme den impliziten Dimensionen dieses Vertrages die Maßstäbe für die Haftung des Experten gegenüber dem nicht am Expertisenvertrag beteiligten Dritten. Die andere Gruppe trete für eine Haftung des Experten aus culpa in contra-hendo ein. Sie stelle nicht auf den Gutachtenvertrag ab, sondern auf den zweiten Vertrag, den Projektvertrag zwischen Auftraggeber und Drittem und entnehme dessen impliziten Dimensionen eine quasi-vertragliche Haftung des Experten, der selbst nicht Partei des Projektvertrages sei, der aber so „nahe an diesem dran“ sei, als ob er selbst Partei sei.

Vielfältige Literaturstimmen

Brors37 überschreibt ihre Untersuchung zur Haftung für fehlerhafte Wertgutachten mit „Vertrauen oder Vertrag“. Sie geht der Frage nach, ob mit § 311 Abs. 3 BGB eine Lösung für derartige Falschgutachten gefunden sei. Hierzu untersucht Brors, ob ein Vertrag oder ob ein Vertrauen als Ausgangspunkt der Haftungsbegründung vorliegen müsse. Bei der Frage nach dem Konstrukt der Haftung unterscheidet sie

34 dazu grundlegend Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 3. Auflage, Mohr Siebeck Tübingen 2005

35 Teubner in seiner Fußnote 66 wörtlich: „Dieser Aspekt, nämlich dass es sich bei der Information um eine Transaktion, also eine Leistungserbringung handelt, die die Sonderbeziehung definiert und (quasi-)vertragliche Lösungen nahe legt, wird von den Vertretern deliktsrechtlicher Lösungen in ihrer Bedeutung heruntergespielt.“

36 dazu später Koch, § 311 Abs. 3 BGB als Grundlage einer vertrauensrechtlichen Auskunftsklage, AcP 204 (2004), Seite 59-80

37 vgl. Fußnote 29

zwischen originärer und derivativer Haftung. Im Ergebnis empfiehlt die Autorin der Rechtsprechung, im Wege richterlicher Rechtsfortbildung nach § 242 BGB die vertragliche Haftung des Gutachters auszudehnen. Escher-Weingart38 befaßt sich mit der Rechtsprechung des X. Zivilsenats des BGH zur Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich eines Gutachtenauftrages zur Wertermittlung (hier eines Grund-stücks)39. In konsequenter Fortsetzung und Fortführung urteilt der Senat, als Dritte, die in den Schutzbereich eines Gutachtenauftrags zur Wertermittlung eines Grundstücks einbezogen seien, komme auch eine namentlich nicht bekannte Vielzahl privater Kreditgeber oder Kapitalanleger in Betracht, wenn der Gutachter nach dem Inhalt des ihm erteilten Gutachterauftrags wußte oder damit rechnen mußte, daß der Auftraggeber das Gutachten zur Erlangung von durch ein Grundpfandrecht an dem Grundstück gesicherten, in der Höhe begrenzten Krediten verwenden werde. Escher-Weingart sieht in dieser Rechtsprechung ein Abweichen von den Grundsätzen des Zivilrechts, nach denen vertragliche Ansprüche nur gegen den eigenen Vertragspartner bestünden. Auch die Begründung des BGH in seiner Entscheidung vom 20.04.200440 im Sinne einer volkswirtschaftlichen Effizienz hält sie für nicht überzeugend und vertritt die Ansicht, der Ansatz des BGH mit vertraglichen Ansprüchen eines Dritten führe den Gutachter zu Problemen, da er einerseits seinen Auftrag mit den Vorgaben des Auftraggebers und andererseits seine objektiven Verpflichtungen gegenüber Dritten erfüllen müsse. Richtig und angemessen sei es, den Sachverständigen vertraglich nur gegenüber dem Auftraggeber haften zu lassen. Ein Dritter habe die Möglichkeit, sich zu dem Gutachten bei einem (von ihm selbst beauftragten) Sachverständigen zu erkundigen. Hieraus könne sich dann ein eigenständiger Auskunftsvertrag ergeben. Hassemer befaßt sich in seiner Habilitationsschrift von 2006 speziell mit der Berufshaftung in Form der Gutachterhaftung41. In allen europäischen Rechtsordnungen sei das Relativitätsprinzip, nämlich daß Verträge ihre Wirkungen grundsätzlich nur zwischen den Vertragsparteien entfalten, anerkannt. Allerdings liege der Gehalt des Relativitätsgrundsatzes im Dunkeln. Im deutschen Recht gäben der Vertrag zugunsten Dritter und der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter Beispiele. Hassemer entwickelt, daß der Relativitätsgrundsatz seine Wurzeln in der Selbstbestimmung des Individuums habe. Vertragsparteien könnten nicht autonom Rechtswirkungen gegenüber Dritten erzeu-

38 vgl. Fußnote 29

39 X ZR 250/02; VersR 2004, 1328-1331 = BauR 2005, 122-128 = WM 2004, 1887-1892 = NJW 2004, 3035-3039

40 vgl. Fußnote 39

41 vgl. Fußnote 29, Seiten 67-70

gen, die, ebenso wie sie, selbstbestimmt seien. Die Relativität der Schuldverhältnisse verbiete somit die „Fremdbestimmung unter Gleichen“. Wenn der Relativitätsgrundsatz seine Wurzeln im Autonomieprinzip habe, so müsse dies im Umkehrschluß bedeuten, daß das heteronome Schuldrecht als nicht von den Parteien, sondern vom Gesetzgeber oder Richter hergestelltes Recht dem Relativitätsprinzip nicht unterliege. Eine „Fremdbestimmung unter Gleichen“ liege im Fall heteronomen Schuldrechts nicht vor. Heruntergebrochen auf die Gutachterhaftung sucht Has-semer nach einer Begründung dafür, wie aus einer Leistungspflicht eine weitere Verhaltenspflicht werden könne. Nur so lasse sich die Berufshaftung in das bestehende Rechtssystem, insbesondere in § 241 BGB einpassen. Nicht die Trennung in Leistungspflichten und nicht-leistungsbezogene Pflichten sei maßgeblich, sondern diejenige in Pflichten autonomer und heteronomer Quelle. Sehe man die Expertisepflicht nämlich einzig unter dem Gesichtspunkt ihres Leistungscharakters und erachte man diesen als im Rahmen von § 241 BGB maßgeblich, so bestehe aus dem Dilemma, daß nach der Systematik des deutsches Gesetzes (§ 311 Abs. 2, 3 BGB) eben nur die Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB vertragslos wirken könnten, kein Ausweg: Die Expertisepflicht bleibe als Leistungspflicht immer dem § 241 Abs. 1 BGB verhaftet und damit dem Vertragsverhältnis immanent. Sehe man das maßgebliche Abgrenzungskriterium innerhalb des § 241 BGB hingegen in der autonomen oder heteronomen Quelle einer Pflicht, so sei die entscheidende Frage nicht mehr diejenige, ob die Expertisepflicht eine Leistungspflicht sei, sondern diejenige nach ihrem autonomen oder heteronomen Charakter. Hier helfen nun der von der Rechtsprechung vollzogene, teils auf öffentlichen Interessen beruhende Rekurs auf die „besondere, staatliche anerkannte Sachkunde“42. Der Schutz dieses Vertrauens sei kein vereinbartes Element, sondern eine richterliche Beigabe zum vereinbarten Schuldverhältnis. Diese Pflicht, dieser Sachkunde zu genügen, sei damit die hete-ronom-begründete weitere Verhaltenspflicht im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB. Ker-sting43 kommt bei der Untersuchung seiner Arbeitshypothese, Informationshaftung Dritter folge aus dem Vertrauen auf Verläßlichkeit, zum Ergebnis, der Tatbestand des § 311 Abs. 3 S. 2 BGB sei weit zu fassen. Eine Sonderverbindung entstehe im Regelfall schon dann, wenn ein Dritter Informationen für einen zwischen anderen Parteien zu schließenden Vertrag zur Verfügung stelle. Dieser weite Tatbestand müsse mit einer differenzierten Pflichtenbestimmung kombiniert werden. Das bedeute, daß den Dritten aufgrund der entstandenen Sonderverbindung keine Wahr-42 Hinweis auf das Urteil des BGH vom 26.09.2000; X ZR 94/98; VersR 2002, 72-76 = WM 2000, 2447-2453 = JZ 2001, 933-936 = NJW 2001, 360.365 43 vgl. Fußnote 29 heitspflicht treffe, sondern lediglich eine Pflicht, zutreffende Angaben über seine Anstrengungen bei der Informationserteilung, d.h. über die Verläßlichkeit der Informationen zu machen. Fehle es an einer solchen Angabe, so würden diese normativ ermittelt, wobei bereits auf bekannte Kriterien wie die Eigenschaft des Dritten als Experten sowie die Gewährung einer Vergütung an ihn zurückgegriffen werden könne. Dabei stelle Vertrauen das Bindeglied zwischen dem Tatbestand (§ 311 Abs. 3 S. 2 BGB) und der Rechtsfolge (§ 241 Abs. 2 BGB) dar. Es sei einerseits Voraussetzung für das Entstehen einer Sonderverbindung, andererseits gebe es den Maßstab für die Bestimmung der Pflichten vor. Vertrauen beziehe sich auf den angegebenen Grad der Verläßlichkeit der Informationen, der seinerseits die Risikoverteilung zwischen Vertrauendem und Dritten beschreibe. Durch diese Kombination eines weiten Tatbestandes mit einer differenzierten Pflichtenbestimmung ließen sich nicht nur alle Fallgruppen der Dritthaftung dogmatisch abgesichert zusammenfassen, sondern es lasse sich auch eine Feinsteuerung der Haftung erreichen, so daß eine uferlose Haftung nicht zu befürchten sei. Außerdem erhalte der Dritte auf diese Weise die Möglichkeit, durch ausführliche Angaben zu seinen Anstrengungen bei der Informationsermittlung sein Haftungsrisiko zu begrenzen. Koch44 faßt seine tiefgehende dogmatische Untersuchung zu § 311 Abs. 3 BGB als Grundlage einer vertrauensrechtlichen Auskunftshaftung dahin zusammen, die Haftung für fehlerhafte Auskünfte werde von der Rechtsprechung aus einer vertraglichen Verbindung zwischen Auskunftsgeber und Auskunftsempfänger hergeleitet. Da eine solche Bindung im Bewußtsein der Parteien oftmals keine Grundlage finde, sei diese Rechtsprechung dogmatisch unbefriedigend. Auch ein im neueren Schrifttum vordringender Ansatz, die Auskunftshaftung aus den Grundsätzen der Eigenhaftung Dritter herzuleiten, stoße wegen der fehlenden dogmatischen Fundierung und der ungewissen sachlichen Reichweite dieses Rechtsinstituts auf verbreitete Ablehnung. Das SMG habe die Inanspruchnahme von Vertrauen als wichtigste Grundlage der Haftung aus § 311 Abs. 3 S. 2 BGB gesetzlich fixiert. Damit seien dogmatische Zweifel an der Eigenhaftung Dritter und an ihren vertrauensrechtlichen Wurzeln ausgeräumt. Dieser konzeptionellen Neuausrichtung stehe die Gefahr einer unbegrenzten Einstandspflicht für fehlerhafte Auskünfte nicht entgegen, da der zentrale Vertrauensbegriff durch die Vorarbeiten in der Literatur einen Entwicklungsstand erreicht habe, der es erlaube, die Haftung in einer den Vertragskonstruktionen vergleichbaren Weise einzugrenzen. Schinkels45 geht in seiner IPR-assoziierten Untersuchung auf die kollisionsrechtliche Dimension der Frage ein, ob die Dritthaftung

44 vgl. Fußnote 29

45 vgl. Fußnote 29

von Gutachtern (in Deutschland und England) auf ein vertragliches oder ein außervertragliches Schuldverhältnis zu stützen sei. Über die Frage, an welche Personenbeziehung die kollisionsrechtliche Behandlung der Gutachterhaftung anknüpfe, müsse mit Inkrafttreten der Rom II-Verordnung am 11.01.2009 der Europäische Gerichtshof (EuGH) befinden. Dieser habe zu entscheiden, ob die Rechtsbeziehung zwischen dem Gutachter und dem Geschädigten ein vertragliches Schuldverhältnis (im Sinne der künftigen Rom I-Verordnung) oder ein außervertragliches Schuldverhältnis im Sinne von Rom II darstelle. Schinkels entscheidet sich für die Einordnung der Gutachterhaftung als der culpa in contrahendo nahestehendes, außervertragliches Schuldverhältnis als auch kollisionsrechtlich sinnvollstes Ergebnis. Übernehme man nämlich die Vertragsauslegungskonstruktion des BGH für das europäische Kollisionsrecht, bestehe nach Art. 3 Rom I-VO-E grundsätzlich die Möglichkeit der Rechtswahl im Vertrag des Gutachters mit seinem Besteller auch für die Haftung des Gutachters gegenüber dem vertragsfremden Geschädigten. Ohne Rechtswahl wäre gem. Art. 4 Rom I-VO-E grundsätzlich das Rechts des Staates maßgeblich, in dem der Gutachter als Erbringer der vertragscharakteristischen Leistung seinen Sitz habe. Es wäre unbefriedigend, die Haftung des Gutachters akzes-sorisch an die im Vertrauen auf das Gutachten aufgenommenen Vertragsverhandlungen anzuknüpfen. Nach Art. 12 Abs. 1 Rom II-VO solle nämlich auf das außervertragliche Schuldverhältnis aus c.i.c. grundsätzlich ohne Rücksicht darauf, ob der Vertrag tatsächlich geschlossen werde, das Recht anwendbar sein, das auf den Vertrag anwendbar wäre.

Hohe Qualifikation des Tierarztes

Ausgangspunkt der Frage, ob der fehlerhaft kaufuntersuchende Tierarzt auch seinem Nicht-Auftraggeber, also einem Dritten, gegenüber haftet, muß zwingend die rechtliche Verankerung des (Pferde-)Tierarztes sein, und zwar gestützt auf

§ 2 Abs. 1 Bundestierärzteordnung (BTÄO)

§ 1 Abs. 1 Nr. 4 tierärztliche Approbationsordnung (TAppO)

§ 2 Abs. 1 u. Abs. 2 Musterberufsordnung Bundestierärztekammer (MBO)

§§ 29 Abs. 1, 30 Nr. 1 Heilberufsgesetz (HeilBerufsG NRW) stellvertretend für die Heilberufsgesetze der anderen Bundesländer.

Nach § 1 Abs. 1 BTÄO ist der Tierarzt berufen, zur Erhaltung und Entwicklung eines leistungsfähigen Tierbestandes beizutragen. Nach § 2 Abs. 1 BTÄO bedarf derjenige, der den tierärztlichen Beruf ausüben will, der Approbation als Tierarzt. Die Grundsätze tierärztlicher Tätigkeit sind, dem folgen die singularrechtlichen Berufsordnungen sämtlicher Landestierärztekammern in Deutschland, in der Musterberufsordnung der Bundestierärztekammer (MBO) geregelt. Nach Abs. 1 übernimmt der Tierarzt mit der Wahrnehmung der in § 1 BTÄO aufgeführten Aufgaben eine besondere Verantwortung und Verpflichtung gegenüber der Öffentlichkeit. Er dient dem Allgemeinwohl – insbesondere auch der menschlichen Gesundheit – und ist der berufene Beschützer der Tiere. Nach § 2 Abs. 2 S. 1 MBO ist jeder Tierarzt verpflichtet, seinen Beruf gewissenhaft auszuüben und dem ihm im Zusammenhang mit seinem Beruf entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen. Damit spannt sich der Bogen zu der schon explizit erwähnten Leitsatzentscheidung des X. Zivilsenats des BGH vom 26.09.200046. Danach, so der BGH a.a.O., sei in seiner Rechtsprechung anerkannt, daß die berufliche Stellung bedeutsam dafür sein könne, ob eine Person auch Dritten gegenüber, zu denen sie keine unmittelbaren vertraglichen Beziehungen unterhält, nach den Grundsätzen der vertraglichen oder quasivertraglichen Haftung einzustehen hat. So könnten Personen, die über eine besondere, vom Staat anerkannte Sachkunde verfügen und in dieser Eigenschaft gutachtliche Stellungnahmen abgäben, wie etwa Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige, aus Vertrag mit Schutzwirkungen für Dritte gegenüber Personen haften, denen gegenüber der Auftraggeber von dem Gutachter bestimmungsgemäß Gebrauch mache. Personen, die aufgrund ihrer besonderen beruflichen und wirtschaftlichen Stellung oder aufgrund ihrer Fachkunde eine Garantenstellung einnähmen, wie etwa Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer, könnten als Prospektverantwortliche schadensersatzpflichtig sein, sofern sie durch ihr nach Außen in Erscheinung tretendes Mitwirken am Prospekt einen Vertrauenstatbestand schaffen. Diese noch zur Rechtslage vor dem 01.01.2002 ergangene Entscheidung ist auf Tierärzte nach deren beruflicher Qualifikation mit staatlicher Anerkennung 1:1 anzuwenden. Nur der Tierarzt darf tierärztliche Pferdekaufunter-suchungen durchführen. Man denke etwa an den röntgenologischen Teil der Kaufuntersuchung, quasi normativ geregelt in dem Röntgenleitfaden 2007 der Bundestierärztekammer und der Gesellschaft für Pferdemedizin. Ferner dürfen nur Tierärzte mit der radiologischen Zusatzqualifikation Szintigraphien durchführen, wie sie notwendig sind, um im Rahmen der radiologischen Kaufuntersuchung Veränderungen etwa im Hals-, Brust- und Lendenwirbelbereich auszuschließen47. Zu den

X ZR 94/98; BGHZ 145, 197-202 = VersR 2002, 72-76 = NJW 2001, 360-365 etwa zum Ausschluß des gefürchteten Kissing-Spines-Syndroms

Rechtsgrundlagen des Pferdetierarztes verweise ich auf meinen aktuellen Beitrag zur Multifunktion der Pferdetierärzte48.

Historische Interpretation des § 311 Abs. 3 S. 2 BGB

Im Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts49 heißt es, die wichtigste Fallgruppe seien Fälle, in denen jemand besonderes Vertrauen für sich selbst in Anspruch nehme. Diese Fallgruppe spreche Satz 2 des § 311 Abs. 3 BGB exemplarisch an. Das besondere Vertrauen müsse über das normale Verhandlungsvertrauen hinausgehen. Dafür genüge es nicht, wenn jemand auf eigene Sachkunde verweise oder der Wortführer sei. Ausreichen könne aber die Erklärung, man verbürge sich für den Vertragspartner oder ähnliches. Angesprochen sei damit auch die Sachwalterhaftung. Es handele sich um die Haftung von Sachverständigen oder anderen „Auskunftspersonen“, die nicht selbst ein Eigeninteresse an einem Abschluß des Vertrages hätten, dennoch aber durch ihre Äußerungen entscheidend zum Vertragsabschluß beitrügen, weil sich ein Vertragspartner auf ihre Objektivität und Neutralität verlasse. Hierfür habe sich der Begriff Sachwalter eingebürgert. Solche Fälle würden derzeit nicht durchgängig als Anwendungsfälle des Rechtsinstituts der culpa in contrahendo begriffen. Teilweise werde eine Haftung nur angenommen, wenn zwischen dem Sachverständigen oder der Auskunftsperson und einem der Verhandlungspartner (oder beiden) ein Auskunfts- oder Beratungsvertrag zustande gekommen sei, was auch durch schlüssiges Verhalten geschehen sein könne. Teilweise würden diese Fälle aber auch als Anwendungsfälle der culpa in contrahendo angesehen. Diese setze eine vertragliche Bindung gerade nicht voraus, die in diesen Fällen oft nicht einfach zu bejahen sei. Bei Anwendung der culpa in contrahendo komme es entscheidend darauf an, ob Vertrauen in Anspruch genommen worden sei oder nicht. Diese Vorschrift solle, so die gesetzgeberischen Motive, der Rechtsprechung aufzeigen, daß diese Fälle auch auf diesem Weg zu lösen seien.

Haftungsbeschränkung nach der Person des Auftraggebers

Zwei „Arten“ der tierärztlichen Pferdekaufuntersuchung sind denkbar: Einmal fungiert der (potentielle) Käufer als Auftraggeber. Er will sich ein auf die Pferdegesundheit bezogenes zusätzliches Entscheidungskriterium sichern. In dieser Auftragskonstellation kommt allenfalls der Verkäufer als Dritter im Sinne der Sachwalterhaftung des § 311 Abs. 3 S. 2 BGB in Betracht. Der Wissenstransfer zwischen dem

48 Oexmann, Die rechtliche Multifunktion der Pferdetierärzte, Pferdeheilkunde 2010, Seite 264-274

49 Drucksache 14/6040 vom 14.06.2001, Seite 163 rechte Spalte

kaufuntersuchenden Tierarzt einerseits und dem (potentiellen) Pferdekäufer andererseits führt zur Involvierung des Verkäufers im Sinne von Integritätsinteresse. Der Verkäufer übergibt das Pferd in Ansehung seines eigenen Integritätsinteresses regelmäßig nur deshalb, weil der Tierarzt die gesundheitliche Unbedenklichkeit bestätigt hat. Anderenfalls läuft der Pferdeverkäufer im Fall einer fehlerhaften Expertise sehenden Auges in sein gewährleistungsrechtliches Unheil, etwa durch die aus § 437 Nr. 3 BGB abgeleitete Verpflichtung, gegebenenfalls zum Schadensersatz sowie zum Ersatz vergeblicher Aufwendungen vom Käufer im Rücktritts- oder Minderungsfall herangezogen zu werden. Erteilt der Pferdeverkäufer den Auftrag zur tierärztlichen Kaufuntersuchung, mag in concreto ein Käufer im Hintergrund stehen. Der Tierarzt muß sich aber vergegenwärtigen, daß, wenn der angedachte nahe Kaufvertrag scheitert, die Expertise auch anderen potentiellen Pferdekäufern als Entscheidungsparameter vorgelegt werden wird. Damit sind im Fall der Auftragserteilung durch den Pferdeverkäufer alle potentiellen Pferdekäufer im Sinne der Sachwalterhaftung nach § 311 Abs. 3 S. 2 BGB privilegiert. Diese Differenzierung speziell bei der tierärztlichen Pferdekaufuntersuchung wird den Anforderungen gerecht, die der X. Zivilsenat des BGH, noch zum Rechtszustand vor dem 01.01.2002, zur Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich eines Gutachtenauftrags entwickelt hat50. Denn bei der Prüfung der Frage, ob Dritte in den Schutzbereich eines Vertrages (zur Wertermittlung eines Grundstücks) einbezogen sind, gehören zum wesentlichen Auslegungsstoff die in dem Gutachten enthaltenen Angaben über dessen Zweck und der sonstige Inhalt des Gutachtens, aber auch die eigenen Angaben des Gutachter zu Inhalt und Umständen der Auftragserteilung.

Zusammenfassung

Dem kaufuntersuchenden Pferdetierarzt kommt besondere staatlich anerkannte Sachkunde zu; nur Kraft seines abgeschlossenen Universitätsstudiums und der im Anschluß daran erteilten Approbation ist ein Tierarzt überhaupt befugt, Pferde-kaufuntersuchungen durchzuführen. Gibt der (potentielle) Pferdekäufer die Kaufuntersuchung in Auftrag, ist ausschließlich der Pferdeverkäufer Dritter im Sinne der Sachwalterhaftung nach § 311 Abs. 3 S. 2 BGB. Hat sich der Tierarzt hingegen gegenüber dem (späteren) Pferdeverkäufer zur Durchführung einer (klinischen und/oder radiologischen) Kaufuntersuchung verpflichtet, sind sämtliche (potentiellen) Pferdekäufer Dritte im Sinne der Drittwalterhaftung. Das gilt allerdings nur für eine kurze Zeitspanne nach Durchführung der Kaufuntersuchung. Da jedes Pferd

50 Urteil vom 20.04.2004; X ZR 250/02; BGHZ 159, 1-13 = BauR 2005, 122-128 = VersR 2004, 1328-1331 = NJW 2004, 3035-3039

als organisch-biologisches Lebewesen einer ständigen Veränderung von Kondition und Konstitution unterliegt, ergeben sich aus der Natur des anatomischen und/oder physiologischen Zustandes zeitliche Limitierungen51.

51 anders LG Verden, Urteil vom 05.10.2006, 4 O 45/06, RdL 2007, 92-93: Auftraggeber der Kaufuntersuchung der Verkäufer. Tag der Untersuchung 31.05.2005, Abschluß des Kaufvertrages 07.08.2005; vgl. Fn. 12

Ende der Bearbeitung: 12.04.2010